Jetzt wird es ernst: All die Abendstunden und Wochenenden, die wir dem Orchester geopfert haben, drohen im Lampenfieber unterzugehen. Das treibt mich diese Woche um: Können wir wirklich mit Vorstellungskraft den Ernstfall proben?
Wilder Tanz durch die Notenblätter
Sonntagmittag. Generalprobe für unseren Auftritt Mitte der Woche, der erste in diesem Jahr. Was am Tag zuvor noch wunderbar geklappt hat, ist heute ein wilder Tanz durch die Notenblätter. Die ersten Geigen preschen in atemberaubendem Tempo voran und verheddern sich in den Läufen, die Klarinette verpasst ihre Einsätze, weil die gewohnten Mitspieler fehlen und die Trompete vertut sich in der Zeile und spielt eine unpassende Begleitung. In einem Satz: Das Orchester schwimmt.
Der einzige, der gelassen wirkt, ist unser Dirigent. Dabei, so verrät er uns in der Pause vorm zweiten Durchlauf der Stücke, leidet er massiv unter Lampenfieber. Eigentlich. Aber er verrät uns den Trick, der ihn durch unzählige Auftritte und Tourneen begleitet hat.
„Nutze die Vorstellungskraft!“
Dieser Trick ist ganz simpel: Er stellt sich beim Üben zu Hause das Publikum vor und filmt sich dabei. Der Stressfaktor erhöht sich beim Spielen, aber auch die Konzentration.
Unter ungewohntem Stress werden wir alle fehleranfälliger. Durch die Vorstellung, vor einem Publikum zu spielen, gewöhnen wir uns an diesen Stressfaktor – je öfter, desto besser.
Ergebnis: Wir verhaspeln uns weniger. Natürlich passieren immer mal Fehler, aber weil wir beim Üben vor unseren imaginären Zuschauern souverän mit unseren Fehlern umgegangen sind, hilft uns diese Souveränität auch vor echtem Publikum.
Das geht genauso bei Veränderung
Deine Vorstellungskraft kannst du genauso anwenden, wenn es um Veränderungen in deinem Leben geht. Dabei sollst du dir nicht die Zukunft dramatisch von ihrer schwärzesten Seite vor deinem inneren Auge erscheinen lassen. Ebensowenig sollst du in Positivismus verfallen und alles in rosarote Zuckerwatte packen, klebrig und zuckersüß. Beide Enden der Wahrscheinlichkeitsskala werden übrigens selten erreicht.
Es geht eher darum, mit einer möglichen Zukunft zu spielen und dir dabei vorzustellen, wie du mit der Veränderung umgehen und reagieren kannst, um die für dich beste Lösung zu finden. Du kannst dir dabei ruhig verschieden geartete neue Realitäten vorstellen, positiv wie negativ, damit dein Phantasiemuskel, aber auch deine Resilienz wie beim Trockenschwimmen trainiert werden, ehe es ins tiefe und unbekannte Wasser der Wirklichkeit geht.
Zur Unterstützung kannst du dir Fragen stellen wie:
- Ist das Szenario wirklich realistisch?
- Wie wahrscheinlich wird es überhaupt eintreffen?
- Was würde ich am liebsten tun, wenn ich mich entscheiden dürfte?
- Welche Veränderung hat sich schon als weniger beängstigend erwiesen als erwartet?
- Was hast du trotz aller Befürchtungen überwunden?
- Welche Türen könnten sich öffnen, wenn die alte Tür zufällt?
- Welche Möglichkeiten eröffnet die neue Situation für mich?
Je mehr Fragen du dir stellst, desto mehr Lösungen wird dein Unterbewusstsein für dich suchen. Falle nur nicht in die Opferrolle und auf deine Glaubenssätze herein – sei der Macher, die Macherin, die mit jeder Situation umzugehen weiß, weil sie darauf vertraut, dasa am Ende etwas Gutes für dich dabei herauskommt..
Fazit:
Noch drei Tage bis zum Konzert, der Countdown läuft. Genauso wie meine Mitmusiker nicht wissen können, wie das Konzert wirklich ablaufen wird, weiß niemand von uns, ob die Veränderung wirklich so eintrifft, wie wir sie uns vorstellen. Wir lernen aber durch unsere Vorstellungskraft den Ernstfall zu proben, mit Unwägbarkeiten umzugehen und uns nicht kirre und verrückt zu machen.
Wie gefällt dir die Idee, mit deiner Vorstellungskraft den Ernstfall zu proben? Schreibe mir gerne in den Kommentar.